Anglizismen – ja, nein, maybe?!

Oder: Warum Sprache lebendig ist...

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Hast Du schon mal ein „Fernnachrichten-Übermittlungs-Gerät“ benutzt, das „Kleinkind im ersten Lebensjahr“ Deiner Nachbarn gehütet oder kürzlich „triebbetonten Geschlechtsverkehr ohne Zeugungsabsicht“ gehabt?

Falls Dir an diesen Fragen nichts eigenartig vorkommt, dann bist Du ein ganz harter Verfechter der deutschen Sprache, ein echter Sprachpurist. Denn diese Wortungetüme wären notwendig, würden wir völlig auf Anglizismen im Deutschen verzichten.

Aber bevor ich mein Plädoyer für Anglizismen so richtig starte (hoppla, noch ein englisches Wort) – hier die Auflösung:

  • Fernnachrichten-Übermittlungs-Gerät = Fax
  • Kleinkind im ersten Lebensjahr = Baby
  • triebbetonter Geschlechtsverkehr ohne Zeugungsabsicht = Sex

Irgendwie gehen die englischen Begriffe doch leichter von der Zunge, oder? 😉

Keine Sprache steht nur für sich

Natürliche Sprachen entwicklen sich ständig weiter, allein dadurch, dass man sie aktiv verwendet. Darüber sollte man sich vor jeder Diskussion im Klaren sein. Sprache ist nämlich immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft und ihrer jeweils vorherrschenden Kultur.

Daran ändert kein Rechtschreibrat und keine Redaktion eines großen Wörterbuchverlags etwas. Im Gegenteil. Versuche, eine Sprache in eine bestimmte Richtung zu lenken, sind meist zum Scheitern verurteilt.

Ein gutes Beispiel stellen die meiner Meinung nach allesamt verunglückten Rechtschreibreformen im Deutschen dar. Sie brachten weder Erleichterung noch mehr Klarheit, sondern machten vieles unnötigerweise kompliziert (jedenfalls für diejenigen, welche die aufgestellten Regeln beachten möchten).

Die Entwicklung natürlicher Sprachen besitzt eine Eigendynamik: Neue Wörter entstehen, andere Wörter ändern ihre Bedeutung oder verschwinden allmählich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw. tauchen nur noch in bestimmten Fachwortschätzen auf.

Von guten und schlechten Anglizismen

Anglizismen sind erst einmal weder positiv noch negativ. Definitionsgemäß handelt es sich schlicht um sprachliche Ausdrücke, die aus dem Englischen in eine andere Sprache (hier also ins Deutsche) eingeflossen sind.

Viele Anglizismen nutzen wir tagtäglich ohne uns darüber große Gedanken zu machen: Baby, Manager, Start, Stopp, Sex, Team, Test oder Notebook sind inzwischen so gängig, dass wir sie gar nicht mehr mit der englischen Sprache in Verbindung bringen.

Und bei vielen dieser Anglizismen liegt ihr Ursprung nicht einmal im Englischen:

Betrachten wir das Wort „Slogan“… heute bezeichnen wir damit einen kurzen, eingängigen Werbespruch und haben diesen Begriff in der Tat aus dem Englischen übernommen. Doch ursprünglich stammt er aus dem Gälischen „sluaghghairm“, was sich mit „Kriegsgeschrei“ übersetzen lässt.

Ein gutes Beispiel dafür, wie lebendig Sprache sein kann: Sie nimmt Einflüsse anderer Sprachen auf, die wiederum ihrerseits von weiteren Sprachen beeinflusst wurden.

Natürlich gibt es unter den Anglizismen auch eher peinliche Wortgebilde – jedenfalls aus meiner ganz persönlichen heutigen Sicht (wir schreiben das Jahr 2022; wer weiß, wie es in zehn oder zwanzig Jahren aussieht):

  • In Stellenausschreibungen wird euphemistisch nach „Facility Managern“ anstelle von Hausmeistern gesucht (bei gleichem Gehalt) und
  • viele Außendienstler betiteln sich inzwischen selbst als „Sales Representative“ (wenn man schon nichts verkauft, soll der Kunde zumindest beeindruckt werden).
  • Dann wäre da noch die viel zitierte „Corporate Social Responsibility“ – oder um einiges verständlicher, die „soziale Verantwortung eines Unternehmens“.
  • Und wenn die „Brand Awareness“ durch „Influencer Marketing“ auf ein „all-time High“ „gepusht“ wurde, dann klingt das zumindest in den Ohren eines „Advertising Professionals“ so richtig sexy. Naja, irgendwie. 😉

Die Zielgruppe entscheidet…

Nun, ob Du als professioneller Texter berufsbedingt mit Worten jonglierst oder Deine private Korrespondenz aufpolieren möchtest, bei der Verwendung von Anglizismen kommt es ganz darauf an, für wen Du eigentlich schreibst:

Erstellst Du einen Fachartikel zum Thema e-commerce, dann wird es dort vor englischsprachigen Begriffen vermutlich nur so wimmeln. Weshalb? Weil Englisch im Bereich der Wirtschaft – und erst recht in der IT-Branche – für dort genutzte Termini gang und gäbe ist.

Sitzt Du aber gerade an Deiner Bewerbung und möchtest Verkäufer im Einzelhandel werden, klingen Wörter wie „Teamplayer“ und „Social Skills“ eher übertrieben. Damit würdest Du nicht punkten, es sei denn, es wäre gleichzeitig eine Stelle im höheren Management zu besetzen (kleiner Scherz).

Ich empfehle Dir, Anglizismen immer dann zu verwenden, wenn

  • es sich um Wörter handelt, welche von der Mehrheit Deiner Zielgruppe verstanden oder gar erwartet werden,
  • sie der allgemeinen Verständlichkeit dienen oder
  • sie bereits Teil der Alltagssprache sind (siehe meine Beispiele zu Beginn dieses Beitrags).

Das mag jetzt sehr pragmatisch und positionslos klingen, bringt es aber auf den Punkt: Die Zielgruppe entscheidet.

Wir schreiben doch alle hauptsächlich für andere. Und diese Leser (respektive Zuhörer) sollen unsere Texte nicht nur verstehen, sondern sich ein Stück weit auch mit ihnen identifizieren können und sympathisch finden.

Das macht meiner Meinung nach erfolgreiche Texter aus – nicht der verbissene Grabenkampf um die „reine deutsche Sprache“.

Mein persönliches Fazit

Sei kein Anglomane, aber auch kein Sprachpurist… nutze englischsprachige Begriffe, sobald sie Sinn machen!


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