Der Deppenapostroph – manchmal sinnvoll?

Kleiner Strich, große Emotionen...

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Der Apostroph! Für manche ein absolutes Hassobjekt mit dem Potential, den Untergang der deutschen Sprache zu verursachen. Für andere wiederum ein Mittel zum Zweck, dessen Nutzung schlicht zur alltäglichen Gewohnheit geworden ist.

Ich erkläre Dir, was es mit dem kleinen, aber vieldiskutierten Zeichen auf sich hat, wann es sinnvoll zu gebrauchen ist und wann Du Dich damit eher lächerlich machst.

Wie schreibt man Apostroph?

Die erste große Hürde beim Einsatz des Apostrophen ist übrigens gar keine sprachliche, sondern vielmehr eine technik-historische:

Der in den 1960er Jahren eingeführte ASCII-Zeichensatz umfasste nur 128 Zeichen, wobei lediglich 95 davon zu den druckbaren Zeichen zählten (bestehend aus dem lateinischen Alphabet, den arabischen Ziffern und den wichtigsten Satzzeichen).

Für einen typographisch korrekten Apostroph war schlicht kein Platz mehr und so musste das einfache Anführungszeichen (‚) als Ersatz herhalten.

Erst Anfang der 1990er Jahre setzte sich mit Unicode so langsam der heute gebräuchliche universelle Zeichensatz durch:

Dieser verfügt über 1.114.112 sogenannte Codepunkte, wobei technisch betrachtet ein Zeichen aus mehreren Codepunkten bestehen kann. Und natürlich hat da auch der richtig echte Apostroph endlich sein Zuhause gefunden – unter Codepunkt U+2019.

Auf den meisten modernen Computertastaturen findet sich leider immer noch kein echter Apostroph; stattdessen hat sich das einfache Anführungszeichen („typewriter apostrophe“) hartnäckig gehalten, wird aber von vielen Textverarbeitungsprogrammen bei Verwendung als Apostroph automatisch in einen solchen konvertiert.

Erkennst Du den Unterschied?

  • Einfaches Anführungszeichen im ASCII-Zeichensatz: ' (Unicode: U+0027)
  • Typographisch korrekter Apostroph: (Unicode: U+2019)

Wer unbedingt den kleinen Streber raushängen möchte, der muss sich die folgenden Tastenkombinationen merken (viel Spaß):

  • Windows: ALT + 0 + 1 + 4 + 6
  • Linux: ALT GR + SHIFT + B oder ALT GR + SHIFT + N oder ALT GR + #
  • macOS: ALT + SHIFT + #

Persönlich finde ich das zwar alles ganz spannend zu wissen, aber das einfache Anführungszeichen erfüllt seinen Zweck doch prinzipiell ausgezeichnet. Noch dazu, da in Unicode der Codepunkt U+0027 sogar als „Apostrophe“ bezeichnet wird. 🙂

Apostroph – ja oder nein?

Geht gar nicht: Der Plural-Apostroph

Das ist wirklich die Sorte der unverzeihlichen Fehler, bei welcher ich sofort den Rotstift ansetze. Ein Apostroph passt hier überhaupt nicht. Nein! Nie! Never!

FALSCH: Ich saß mit dem Album meiner Urlaubsfoto’s auf einem der beiden Sofa’s und suchte mir dabei die Info’s der Reiseroute vom letzten Jahr heraus.

RICHTIG: Ich saß mit dem Album meiner Urlaubsfotos auf einem der beiden Sofas und suchte mir dabei die Infos der Reiseroute vom letzten Jahr heraus.

Dasselbe gilt natürlich auch für Abkürzungen (gerne gesehen in einschlägigen Elektrofachmärkten): CDs, DVDs, Videos – immer ohne Apostroph!

Weshalb man bei einem Mehrzahl-s überhaupt der Versuchung erliegt, einen Apostroph zu setzen, kann ich mir nicht erklären.

Sogar im Englischen (das viele selbst ernannte Sprachkritiker für die übermäßige Verwendung des Apostrophen verantwortlich machen) ist das absolut unbekannt.

Die Sache mit dem Genitiv-s

Zuerst einmal: „Genitiv“ meint den „Wessen-Fall“ („Wessen Auto ist es?“ – „Susi’s/Susis Auto!“). Ich weiß, Du wusstest das natürlich, aber andere Leser vielleicht nicht. 😉

Die Sitte, hier einen Apostroph zu setzen, stammt definitiv aus der englischen Sprache, wie Dir die folgenden Beispiele zeigen:

  • Tobi’s Nightclub [Firmenname]
  • We visited Mark’s grandparents last week. [Übersetzung: Wir besuchten letzte Woche Mark’s/Marks Großeltern.]
  • Rocky’s new car is a green one. [Übersetzung: Rocky’s/Rockys neues Auto ist grün.]

Die offiziellen Regeln im Deutschen sind hier ein wenig komplexer, da sie den Apostroph bis zur Rechtschreibreform 1996 nur in diesen Fällen zuließen:

  • Bei Namen die auf s, ss, ß, tz, z, x und ce enden.
    • Beispiel: Tobias’ Website
  • Zur Verdeutlichung der Grundform eines Namens.
    • Beispiel: Andrea’s Autowerkstatt [… die ohne Apostroph ansonsten schnell in das Eigentum von Andreas übergehen könnte.]
  • Vor der Adjektivendung „-sch“.
    • Beispiel: Ohm’scher Widerstand

Ich sehe die Nutzung des Apostrophen an dieser Stelle allerdings etwas lockerer – und dank der diversen Rechtschreibreformen in Deutschland ist dessen Verwendung nun zumindest optional auch ganz offiziell erlaubt.

Kein Wunder, denn immerhin hat sich der Apostroph beim Genitiv-s im Lauf der Zeit eingebürgert. Diese Tatsache kann niemand wegdiskutieren.

Eine Sprache entwickelt sich eben vornehmlich durch ihre Sprecher weiter. Das sollte man wertfrei akzeptieren, deshalb geht die „deutsche Kultur“ noch lange nicht unter (manche Sprachkritiker machen daraus einen richtiggehend nationalistischen Feldzug).

Wer den Apostroph nicht nutzen mag, tut es eben nicht. Wer es tut, bitteschön. Ich finde dabei nichts Verwerfliches. Entscheide einfach selbst, was sich für Dich „schöner“ liest:

  • Michael’s Computer – Michaels Computer
  • Susi’s neues Auto – Susis neues Auto
  • Gerda’s freizügige Hemdbluse – Gerdas freizügige Hemdbluse

Kommt drauf an: Auslassungen und für mehr Verständlichkeit

Der Apostroph wird häufig genutzt, um damit fehlende Buchstaben eines Wortes kenntlich zu machen oder die Lesbarkeit eines Satzes zu erhöhen. Du findest das in Texten der Alltagssprache, aber vor allem in Gedichten.

Auch hier kann man sich wieder trefflich darüber streiten, wann ein Apostroph sinnvoll ist, wann überflüssig und wann eigentlich falsch.

Diesen Apostroph wird wohl niemand in Frage stellen:

  • ’s ist schon spät, wir sollten gehen.

Was soll dieses einsame und verlassene „s“ am Satzanfang, noch dazu kleingeschrieben? Das braucht schon allein zur moralischen Unterstützung einen Apostroph! 😉

Ebenfalls allgemein akzeptiert sind Apostrophen in Zusammenhang mit Verkürzungen des Pronomens „es“:

  • Wie geht’s Dir? – Wie geht es Dir?
  • Mach’s gut. – Mach es gut!

Das letzte Beispiel zeigt aber schon einen der Fälle auf, bei welchen ich – zumindest für bestimmte Textarten und Zielgruppen – einen Apostroph setzen würde, andere hingegen sich strikt dagegen verwahren:

  • Mach’ es gut! – Mach es gut!
  • Wir gingen zum Baden in’s Wasser. – Wir gingen zum Baden ins Wasser.
  • Wir fuhren an’s Meer. – Wir fuhren ans Meer.

Orthographisch betrachtet sind diese Apostrophen falsch. Aus Sicht eines Texters, der damit eine bestimmte Wirkung erzielen möchte, nicht notwendigerweise:

Hier kommt es eben darauf an, was Du bevorzugst. Falls es für Deine Textart bedeutungslos ist und Du Dich möglichst wenig streiten möchtest, dann lass’/lass den Apostroph weg. Ansonsten gilt derselbe Ratschlag, wie ich ihn Dir schon im Fall des Genitiv-s gegeben habe: Mit einem kleinen Apostroph wird die Welt weder besser noch schlechter!

Apostroph – mein Fazit

Okay, Du hast jetzt so weit gelesen und fragst Dich inzwischen bestimmt, ob es nicht irgendeine universelle Regel für die Verwendung des Apostrophen gibt.

Die existiert zwar leider nicht, aber als grundsätzliche Empfehlung rate ich Dir, den Apostroph sparsam und mit Bedacht einzusetzen. Überlege Dir im Zweifelsfall, welchen Effekt Du mit einem Apostroph an der jeweiligen Stelle erzielen möchtest.

Ich als Texter Tobi sehe die Sache mit den Apostrophen gelassener als so manche Hardliner, die fest am offiziellen Regelwerk der deutschen Sprache kleben.

Gerade im Bereich des kreativen Schreibens möchte man mit Texten immer eine bestimmte Wirkung beim Leser erzielen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, stellen nun einmal die vielfältigen Mittel der Typographie dar.

Was „gut“ aussieht, ist nicht immer orthographisch korrekt und was typographisch ein echter Hingucker ist, lässt manchen Deutschprofessor erschaudern. So ist das eben mit der Sprache – man kann’s keinem wirklich zu hundert Prozent recht machen! 😉